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26. Oktober 2008 7 26 /10 /Oktober /2008 11:34
Manchmal erlebt man als Anwalt vor Gericht die wildesten Überraschungen, jenseits der üblichen basarmäßigen Vergleichsverhandlungen.

Es ging um Folgendes: Der Inhaber eines kleinen Geschäfts - von mir vertreten - bemerkte irgend wann einmal Kassendifferenzen. Er hatte eine/n seiner Mitarbeiter/innen im Verdacht und um sicher zu gehen, installierte er eine Videoanlage im Geschäft, der die Kasse sowie einen kleinen Raum hinten im Lokal erfasste. In diesem Raum wurden Waren gelagert sowie "die Kasse gemacht".

Nach erster Sicht der Aufnahmen stellte er entsetzt fest, dass eine langjährige Mitarbeiterin - "das beste Pferd im Stall" - regelmäßig in die Kasse griff, wenn sie "die Kasse machte".

Er überführte sie einige Tage später mit einem Bekannten. Während des Gesprächs schrieb sie ein Geständnis und unterzeichnete einen Aufhebungsvertrag. Sie hätte auch die fristlose Kündigung bekommen können, aber sie entschied sich für den Aufhebungsvertrag.

Einige Wochen (!) später flatterte meinem Mandanten ein Anwaltsschreiben ins Haus: der Vertrag wurde wegen arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten. Darauf ging mein Mandant klugerweiser nicht ein, er antwortete ihm kurz und knapp - was dann eine Klage zurfolge hatte.

Der Prozess: Mein Mandant und ich bereiteten diesen sehr gut vor. Angesichts der fatalen Ereignisse z.B. bei Lidl in diesem Jahr sowie der strengen BAG-Rechtsprechung zur Videoüberwachung war ich ein wenig zurück- haltend, was die Präsentation dieses knallharten Beweises anging.

Die ehemalige Mitarbeiterin leugnete, was das Zeug hielt, in die Kasse gegriffen zu haben. Dabei hatte man ihr genau geschildert, wie sie vorgegangen ist, sie hätte also wissen müssen, dass man sie "in der Hand" hat.

Im Gütetermin blieb die Frau bei ihrer Leugnerei. Ich erzählte ihr auch noch einmal, was ich weiß (konnte man auf den Bändern sehr gut sehen!). Der Richter war auf unserer Seite, das war erkennbar. Das lag aber daran, dass die Gegenseite die behauptete Täuschung bzw. Drohung nicht schlüssig beschrieben hatte, deretwegen man hätte anfechten können. Der Anwalt der Gegenseite glaubte nicht so recht an unsere Vorwürfe. Ich bot an, das Video auf dem mitgebrachten Notebook anzuschauen (im Gütetermin ist es im Allgemeinen nicht üblich, Beweise zu erheben). Wir schauten uns das also auf dem Gerichtsflur an - ohne den Richter, der den Beweis offenbar noch nicht "verbrauchen" wollte.

Die Mitarbeiterin und ihr Anwalt sahen sich die erdrückenden Bewiese an. Bislang hatte sie ja immer geleugnet, Geld aus der Kasse in die Tasche gesteckt zu haben. Hier musste sie zugeben, es doch getan zu haben - und hatte gleich eine Erklärung parat! Ihr stünde das Geld doch zu. Sie habe vorher Wechselgeld eingezahlt... (der Vorgang war nirgendwo auf den Aufnahmen zu sehen).

Der Anwalt der Gegenseite hatte nun  genug gesehen und nahm seinen Mandantin gewaltig ins Verhör. Damit hatte er wohl auch nicht gerechnet...

Wir einigten uns schließlich auf eine für meinen Mandanten kostenlose Lösung, aus dem Aufhebungsvertrag wurde eine Kündigung, Geld war nicht mehr zu zahlen.

Unglaublich, dass diese Frau lügt wie bescheuert und das Gericht sowie den Anwalt - und meinen Mandanten - so in die Irre führt. "Das stand mir doch zu...." Unglaublich!

Unser Glück war, dass nun niemand die Rechtmäßigkeit der Videoaufnahmen infrage stellte (es wäre auch kein Problem gewesen für uns, aber die Diskussion hätte Zeit "gefressen"). Na - die Kripo hätte sich dafür auf jeden Fall interessiert. Wir hätten das auch weiter geleitet, mit Strafanzeige und allem, wenn der Fall nicht auf die Weise kurz und schmerzlos beendet worden wäre. Meinem Mandanten lag aber mehr daran, das ganze Spiel zu beenden und seine Geschäfte weiter zu führen.

M.Kupfer
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Kommentare

K
Leider ist dies kein Einzelfall !!! In meinem Bekanntenkreis kam etwas ähnliches vor, wobei die Gerichtsverhandlung dann leider nicht so glücklich für den Arbeitgernber ausging. Was würden dies Typen aber jammern und zetern, wenn man in ihre Brieftasche greifen würde !!! Unverständlich .......
Antworten
M
<br /> Tja, die Bedenken hatte ich auch, ich befürchete auch so etwas wie erhebliche Einwände gegen die Aufnahmen. Der Anwalt der Gegenseite war zum Glück nicht auf diesen Zug aufgesprungen... .<br /> <br /> M.Kupfer<br /> <br /> <br />

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  • Ich bin als Rechtsanwalt tätig, habe Familie und stehe mitten im Leben, wie man so sagt. das bringt manch Chaos mit sich... aber zum Glück auch Zeit für diese Themen: Gesellschaft, Politik, Independent- und Rock,Geschichte, Kultur, Sport, "grüne"
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